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Sind green fuels zwingend notwendig?
Autor: Suven 25.06.20 - 09:37
Momentan wird politisch propagiert man könne die Wende nur schaffen, wenn man massenhaft Greenfuels aus Afrika und Co importiert.
Sehen Sie das auch so, oder würden Wind, Wasser, Solar und Speicherkraftwerke genügen? -
Re: Sind green fuels zwingend notwendig?
Autor: Frank Wunderlich-Pfeiffer 30.06.20 - 15:06
Prinizipiell reicht eine Versorgung über Speicherkraftwerke, sie müssen nur groß genug sein. Allerdings wäre der Import von Energieträgern aus anderen Ländern für Deutschland aus nationaler Sicht mit Sicherheit hilfreich, schon um die saisonalen Schwankungen während des Winterhalbjahrs auszugleichen, die weiter südlich nicht so stark ausgeprägt sind. Das würde in der gegenwärtige Situation einen Lösungsansatz darstellen, wenn Länder in Afrika diese Stoffe bereits produzieren würden und den Export im freien Handel anbieten würden. Das ist aber nicht der Fall.
Stattdessen wird darüber diskutiert, aus Deutschland heraus zu beschließen, dass solche Stoffe in anderen Ländern für Deutschland hergestellt und von dort nach Deutschland exportiert werden sollen. An dieser Diskussion wird aber nicht die Bevölkerung in den (Nord-)Afrikanischen Ländern beteiligt, wo die Energieträger hergestellt und exportiert werden sollen. Sie hat in der derzeitigen Debatte kein Mitspracherecht, sie hat in den vorgestellten Plänen keine Teilhabe an den Exporterlösen, an den Betrieben selbst oder an den Entscheidungen zu Standortwahl dieser großen Betriebe, die zu Exportzwecken bevorzugt auf den fruchtbaren Küstenstreifen entstehen würden. Ebensowenig kommt der ungedeckte Eigenbedarf an Energie der Bevölkerung vor Ort zur Sprache.
Das alles stellt eine Missachtung der Souveränität der Bevölkerung in den (Nord-)Afrikanischen Ländern dar und erinnert an den Umgang mit afrikanischen Ländern während der Kolonialzeit. Wie das Ende der Kolonialpolitik in den 1960er Jahren gezeigt hat, ist die politische Stabilität einer solchen Lösung ohne Beteiligung und Mitsprache der Bevölkerung nicht gewährleistet.
Ohne eine Lösung dieser politischen Fragen ist das bisherige Vorgehen hochproblematisch und keine stabile Lösung für die Energieversorgung.
Die Herstellung der vorgeschlagenen Energieträger ist außerdem sehr ineffizient. Es muss zunächst Wasserstoff produziert und anschließend in eine andere Form gebracht werden. Bei der Herstellung von Methan aus Wasserstoff geht etwa ein Viertel des Energiegehalts des Wasserstoffs verloren. Außerdem benötigt sie Kohlenstoff, der aus einer CO2-neutralen Quelle kommen müsste. Da das CO2 aus der Verbrennung nicht zurückgebracht wird, müsste dafür mit hohem Aufwand CO2 aus der Luft gewonnen werden.
Die Beladung von organischen Wasserstoffträgern mit Wasserstoff funktioniert ohne CO2, geht aber mit genauso großen Verlusten einher. Dabei handelt es sich um spezielle Öle, die Wasserstoff aufnehmen und mit einigem Energieaufwand wieder Abgeben können. Allerdings beträgt die Energiedichte dieser Stoffe nur etwa ein Zehntel der Energiedichte von Erdöl und sie müssen nach Gebrauch wieder zurückgebracht werden. Zur Umsetzung dieses Plans müssten also die Transportkapazitäten verzehnfacht werden, wobei Öltanker und Öltransporter nun in beiden Richtungen voll betankt unterwegs wären.
Ammoniak lässt sich im Haber-Bosch-Verfahren aus Wasserstoff und dem Stickstoff in der Luft herstellen und später verbrennen. Der reichlich vorhandene Stickstoff umgeht das Problem der Methanherstellung. Wegen der starken chemischen Bindungen des Stickstoffs geht dabei allerdings ein Drittel der Energie des erzeugten Wasserstoffs verloren. Der Energieverlust dürfte damit Vergleichbar sein mit der Herstellung von Methan, dafür ist der Prozess einfacher und billiger durchzuführen und Ammoniak viel leichter Transportierbar als Methan. Deshalb wäre Ammoniak das aus praktischen Erwägungen heraus die realistischste Variante. Am Ende müsste in jedem Fall etwa fünfmal so viel Strom in Afrika erzeugt werden, wie am Ende in Europa nach der Verbrennung übrig bleibt.
Der notwendige Aufwand und die Kosten stehen in keinem Verhältnis mit dem Bau einer ausreichenden Zahl von Stromkabeln durch das Mittelmeer zum direkten Stromexport. Die Leitungsverluste dabei wären im Vergleich vernachlässigbar. Allerdings wäre die Lösung der politischen Probleme durch die direkte Verbindung und Abhängigkeit von der Stromversorgung entsprechend größer.
Frank Wunderlich-Pfeiffer (Twitter: @FrankWunderli13) - als freier Journalist bei Golem.de unterwegs - Countdown Podcast zur Raumfahrt @countdown_pod oder https://countdown.podigee.io/